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Ein leichterer Abschuss der Wölfe würde die Zahl der gerissenen Nutztiere vermutlich gar nicht reduzieren In der gesamten EU leben derzeit schätzungsweise etwa 20 000 Wölfe, die meisten im Osten und Süden. Etwa 2000 davon leben in Deutschland. Nach Angaben des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) gibt es in der Bundesrepublik 185 Rudel, wobei schon ein Pärchen mit Nachwuchs als Rudel gilt. Außerdem 47 Paare ohne Nachwuchs und 22 Einzeltiere. Die meisten Rudel leben demnach in Brandenburg (52), Niedersachsen (39), Sachsen (38), Sachsen-Anhalt (27) und Mecklenburg-Vorpommern (19). In Bayern, wo die Aufregung über den Wolf am größten zu sein scheint, gibt es dagegen lediglich zwei Rudel, drei Pärchen und ein Einzeltier. In der gesamten EU sind Wölfe durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, kurz FFH-Richtlinie, geschützt. Darin haben sich alle Mitgliedstaaten verpflichtet, einen "günstigen Erhaltungszustand" des Wolfs in Europa herzustellen. Das bedeutet, dass es genügend Tiere gibt, dass die Population von selbst überlebensfähig ist. "Es bedeutet nicht, dass man Tiere, die Probleme machen, nicht entnehmen darf", sagt der österreichische Wolfsexperte Kurt Kotrschal. Das sei auch schon bei der jetzigen Gesetzeslage in der EU möglich. Den Vorschlag der EU-Kommission, den Schutzstatus des Wolfs in der FFH-Richtlinie herunterzustufen, hält er deshalb für "einen populistischen Move". Schon allein deshalb, weil es politisch fast unmöglich durchzusetzen wäre: Als Erstes bräuchte es dazu einen einhelligen Beschluss der EU-Umweltminister. Danach müssten die Unterzeichner der Berner Konvention zustimmen, zu denen 46 europäische und vier afrikanische Staaten gehören, in denen europäische Vogelarten überwintern. Die bereits 1979 verabschiedete Berner Konvention, die offiziell "Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume" heißt, war die Grundlage für die 1992 beschlossene FFH-Richtlinie. Und zum Schluss müssten noch alle Mitgliedstaaten der EU einstimmig beschließen, den Schutzstatus des Wolfs herunterzusetzen. Dazu kommt, dass ein leichterer Abschuss der Wölfe die Zahl der gerissenen Nutztiere vermutlich gar nicht reduzieren würde. Das zeigen Erfahrungen aus Ländern, die Sonderregelungen bei der EU durchgesetzt haben. "In Frankreich zum Beispiel werden jedes Jahr zehn Prozent der Wolfspopulation abgeschossen", sagt Kotrschal. In Schweden sei es ähnlich. "Was bringt es? Gar nichts", sagt Kotrschal. Die Nutztierverluste seien in beiden Ländern relativ hoch. Ein wichtiger Grund dafür sei, dass die Landwirte den Herdenschutz vernachlässigen, "weil sie sich auf den Abschuss verlassen", sagt Kotrschal. Außerdem scheinen Wölfe den Verlust auszugleichen, indem sie sich besonders stark vermehren, wenn die Population in einem Jahr stark dezimiert wurde. Das lässt zumindest eine Studie in den amerikanischen Bundesstaaten Idaho, Montana und Wyoming vermuten, die im Wissenschaftsjournal Plos one erschienen ist. Doch wie sieht effektiver Herdenschutz überhaupt aus? Nach Angaben der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft DLG muss ein Wolfszaun mindestens 90 Zentimeter hoch sein und unter Strom stehen. "Besser sind 1,10 Meter", sagt Andreas von Lindeiner, der beim bayerischen Landesbund für Vogel- und Naturschutz für sogenannte Problemarten zuständig ist. Dann sei der Zaun auch an solchen Stellen hoch genug, an denen der Draht zwischen zwei Pfosten etwas durchhängt. Wichtig ist nach von Lindeiners Erfahrung zudem, dass der Zaun immer unter Strom steht - auch dann, wenn gerade keine Tiere auf der Weide sind. Ist das nicht der Fall, können die Wölfe wie offenbar das Pärchen in Hessen lernen, den Zaun zu überspringen. "Und ein Wolf, der einmal gelernt hat, dass das möglich ist, wird es immer wieder tun", sagt Schäffer. Den Empfehlungen der DLG zufolge sollte außerdem der Abstand zum Boden nicht größer sein als 20 Zentimeter. Ansonsten schaffen es die Wölfe unter Umständen, unter dem Draht hindurch zu schlüpfen. Mehr Wölfe bedeutet nicht automatisch, dass mehr Schafe und Ziegen gerissen werden Wichtig ist auch, dass der Herdenschutz schnell installiert wird, sobald die ersten Wölfe in einer Region auftauchen. Daran hapert es in Deutschland oft. Landwirte bekommen zwar finanzielle Förderung für Herdenschutzzäune. "Doch Landwirte berichten mir immer wieder, dass es sehr lange dauert, bis das Geld da ist", sagt Schäffer. Obendrein gibt es Regionen, wie die Almen in Bayern, wo es aufgrund des felsigen und unebenen Geländes nahezu unmöglich ist, einen Wolfsabwehrzaun dicht zu bekommen. Auch in solchen Fällen lasse die FFH-Richtlinie zu, Wölfe, die Nutztiere reißen, zu jagen, sagt Kotrschal. "Dazu ist es nicht notwendig die FFH-Richtlinie aufzuweichen und den Schutzstatus des Wolfs herabzusetzen." In Regionen mit effektivem Herdenschutz scheint es aber sogar so zu sein, dass Gegenden, in denen sich ganze Rudel etabliert haben, für Nutztiere sicherer sind als solche, in denen gelegentlich einzelne Wölfe auftauchen. Die Angst vieler Landwirte, dass mit steigenden Wolfszahlen auch die Zahl der Nutztierrisse zunimmt, wäre demnach unbegründet. "Ein gut erzogenes Rudel, das gelernt hat, Abstand vom Wolfszaun zu halten, hilft den Bauern sogar, weil es andere Wölfe vertreibt", sagt Schäffer. Denn Wölfe sind territoriale Tiere, die ihr Revier gegen Artgenossen, die nicht zum Rudel gehören, erbittert verteidigen. Nicht selten gehen solche territorialen Kämpfe tödlich aus. "Die häufigste Todesursache von Wölfen ist, dass sie überfahren werden", sagt Kotrschal. Aber gleich danach komme der Tod durch andere Wölfe. Wegen der starken Konkurrenz zwischen einzelnen Wolfsrudeln ist auch nicht zu befürchten, dass die Zahl der Wölfe in Europa und in Deutschland immer weiter steigt, wenn man sie nicht durch Abschuss kontrolliert. Das lasse sich bereits in Teilen Brandenburgs und in Nordsachsen beobachten, sagt Kotrschal, wo die Wolfszahlen nicht mehr weiter steigen, weil "die Rudel gesättigt sind". In anderen Teilen Deutschlands ist man dagegen noch weit entfernt vom angestrebten "günstigen Erhaltungszustand". Doch der Wolf ist zurück in Deutschland, daran besteht kein Zweifel. Es ist eine der wenigen Erfolgsgeschichten für den Naturschutz und in Zeiten des weltweiten Artensterbens eigentlich ein Grund, stolz zu sein. Tatsache ist aber auch, dass es Konflikte zwischen Mensch und Wolf gibt. Man sollte sie aber nicht mit Gewalt austragen, sondern nach intelligenten Lösungen suchen.
Bericht Süddeutsche Zeitung